Aus einer Ahnung soll Gewissheit werden

Die Parallelwelten der Silberschmiedin Annette Zey beinhalten die Pflicht und die Kür. Beides beherrscht sie als Meisterin, als Künstlerin voller Leidenschaft und kreativer Freude, und mit allem Ernst und Willen zur Perfektion; innerhalb festgelegter Grenzen die Vielfalt der verbliebenen – immer noch unendlich erscheinenden- Möglichkeiten untersuchend.
„Superspannend“, sagt sie, technische und gestalterische Grenzen zu durchbrechen und zu etwas ganz Neuem zu kommen. Doch die Grenzen sind ihr wichtig. Das Handwerk gibt ihr Halt und Sicherheit. Das gewählte Thema stellt wohlmöglicher Beliebigkeit den Vorteil der Konzentration entgegen. Leidenschaft und Disziplin sind zwei Elemente in Annette Zeys Werk, die sich gegenseitig befruchten und eine Spannung erzeugen, der sich auch der Betrachter nicht entziehen kann.

Silber

Als Handwerkerin sieht sich Annette Zey einer langen Tradition verpflichtet, in der geschmiedetes Silbergerät seinen selbstverständlichen Platz in der Lebenskultur hatte. Gerade im Angesicht eines veränderten Konsum- und Alltagsbewusstseins sieht sie sich aufgefordert, mit ihrer Handwerkskunst einzigartige Gebrauchsgegenstände herzustellen, die das Besondere und Individuelle betonen- sozusagen als Gegenmodelle zum Massenkonsum. Sie wünscht sich den alltäglichen Gebrauch für ihre Silbergeräte, von Zuckerdose und Teekanne über Salz und Pfeffermühlen bis zum Korkenzieher und anderem.
Diese preziösen Silbergerätschaften werden auf Hochglanz poliert in die Welt entlassen. Dort sollten sie benutzt werden, anlaufen, sicher geputzt werden, aber doch eine Patina entwickeln, die von ihrem Leben als praktisch schönem Utensil erzählt.



Schalen

Doch Annette Zey hat noch eine andere Sprache in ihrem Repertoire, in der sie vermutlich von ihren Zeitgenossen besser verstanden wird. Seit ihrer Studienzeit gehört „die Schale an sich“ zu ihrem Lieblingsthema. Daran arbeitet sie mit Mitteln der Silberschmiedin konzeptionell als freie Künstlerin. Eine Schale ist so einfach. Sie lenkt nicht ab. Eine Schale steht für sich selbst, ist „ Idee einer Schale“ bzw. noch besser „ Behältnis einer Idee von Schale“.
Einer neuen Idee nähert sich Annette Zey gedanklich, zeichnerisch und schließlich im Modell aus Papier oder Holz. Aus Kupferblech oder aus Kupferprofile entstehen die Module. Diese werden entsprechend dem Entwurf verlötet. Das fertige Objekt wird mit Schwefelleber geschwärzt, abgewaschen und erhält schließlich eine Politur aus Paraffinöl.
Das patinierte Kupfer schimmert glatt, kalt und schwarz. Die Struktur einer Schale entsteht aus dem Zusammenwirken vieler kleiner Einzelteile, die immer die gleiche Form haben: Kuben, Rechtecke, T-förmige, U-förmige, Rollen oder Zylinder, Scheiben oder Kreise. Sie setzen sich mehr oder weniger chaotisch zusammen.
Bei einer offenen Schalenform, die den Blick in das Innere frei gibt, zieht Annette Zey die Module optisch zu einem Ornament zusammen, indem sie die nach innen gewandten Modulflächen mit Blattgold belegt. Der warme Goldton tanzt auf den tiefschwarzen Elementen wie das Licht auf einer bewegten Wasserfläche.
Die Schalen wirken aufregend, bewegt und instabil – was natürlich keineswegs zutrifft. Diese aneinander und aufeinander gestapelten Teile, deren feste Verbindung man ja nicht wahrnehmen kann, wirken locker leicht zusammengewürfelt – fast irreal.
Doch diese Leichtigkeit täuscht – 5 bis 15 kg wiegt eine Schale. Eine wunderbare Parabel auf das, was so leicht und mühelos erscheint.
Ihr solides Handwerk versetzt Annette Zey erst in die Lage, gestalterische Freiheiten voll auszuschöpfen. Die Schale als Archetyp bietet ihr die Plattform, um formal wie inhaltlich dem Gegensatz von Ordnung und Chaos nachzuspüren.

 

Schnuppe von Gwinner ( Textauszug )